Buchkalkulation – Was verdienen Autor und Verlag an Büchern?

foto man mit fragezeichenIn einigen Blogbeiträgen oder -kommentaren rund um die aktuelle Debatte um das an die neuen digitalen Zeiten anzupassende Urheberrecht taucht am Rande immer wieder der Vorwurf auf (z.B. hier und hier), dass Schriftsteller einen zu geringen Anteil am Verkaufspreis erhielten, die „Verwerter“, d.h. Verlage und Buchhandel, hingegen den (unangemessen) großen Teil einsteckten, frei nach dem Motto: „Was, der Autor verdient nur 10% an seinem EIGENEN Buch?“ Das verlangt nach Widerspruch bzw. Aufklärung, es fällt nämlich auf, dass die Kalkulationen von Büchern den meisten einfach nicht bekannt ist und sie von falschen Annahmen ausgehen.

Im Folgenden möchte ich die Verlagsseite darstellen (der Buchhandel hat eine eigene Darstellung verdient, das kann ich aber hier nicht leisten. Auch dort wird jedenfalls m.W. nicht auf Kosten der Autoren in Schampus gebadet.)

Eins unmissverständlich vorweg: Die Verlage verdienen sich nicht dumm und dusslig an Büchern, oder wenn, dann nur bei Megabestsellern mit mehreren 100.000 Stück Auflage, was bei 99,9% der produzierten Titel nicht zutrifft. Im Folgenden also eine beispielhafte, wenn auch etwas vereinfachte Stückkostenkalkulation von Voland & Quist:

Bruttoladenpreis 14,90 Euro
Nettoladenpreis 13,93 Euro
Buchhandelsrabatt und Vertriebskosten ./. 8,36 Euro [1]
Autorenhonorar ./. 1,25 Euro
Lektorat und Korrektorat ./. 0,24 Euro
Umschlaggestaltung und Satz ./. 0,31 Euro
Buchdruck und CD-Produktion ./. 1,98 Euro [2]
Werbung ./. 0,20 Euro
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Saldo 1,59 Euro

Nicht berücksichtigt in dieser Kalkulation: die Gemeinkosten wie Personal, Miete, Buchmessen u.a. sowie die Entnahmen der Verleger. Das alles will von den 1,59 Euro im Saldo auch finanziert werden.

Was hier aber nicht darstellbar ist, ist das Verkaufsrisiko. Verkauft der Verlag nicht genug Bücher von einer Auflage, bleibt er nämlich auf den Kosten sitzen (inklusive des nicht zurückzahlbaren Vorschusses auf das Autorenhonorar). Dieses Risiko des Verlegers („Verlegen“ kommt historisch gesehen übrigens von „Vorlegen“) muss man mit in Betracht ziehen – nicht alle Bücher laufen immer so wie man es sich wünscht.

Allerdings stellt dies alles nur die Kostenseite in den Fokus. Was ein Verlag aber EIGENTLICH für den Autor leistet – und die meisten Autoren, die ich kenne, wissen das zu schätzen – ist, seine Bücher „zu veredeln“ (durch Lektorat, Umschlaggestaltung, Satz), sie bekannt zu machen (Pressearbeit, Werbung, Veranstaltungen usw.) und zu vertreiben (Vertreter, Lagerung & Versand, Honorarabrechnung u.a.). All das sind Aufgaben, die ein Autor nicht unbedingt wahrnehmen möchte – er will vor allem eines: Schreiben, vielleicht noch Vorlesen. Insofern sind wir Verlage auch Dienstleister für unsere Autoren. Nicht zuletzt fungiert ein Verlag mit seinem Programmprofil auch als Filter und sorgt für Orientierung bei Buchhändlern, Journalisten und Lesern, analog einem Musiklabel.

Das o.g. trifft sicherlich nicht für Bestsellerautoren wie J.K. Rowling zu, die eine Bekanntheit haben, die es ihnen erlauben würde, ihre Bücher ohne klassischen Verlag zu vertreiben und mehr pro verkauftem Buch zu verdienen (was Rowling bei E-Books über Pottermore mittlerweile auch tut). Dies halte ich aber eher für ein Problem der großen Verlage, die damit eventuell in Zukunft Bestsellerautoren verlieren (s. dazu mein etwas älterer Blogbeitrag über Indieverlage heute und morgen). Denn den meisten Autoren fehlt diese Bekanntheit.

Wenn ich nun all diese Leistungen eines Verlags in Betracht ziehe, stellt sich die Frage, was sich ändern würde, würde der Autor selbst sein Buch publizieren und vertreiben. Die Antwort: Nicht viel! Wenn er nicht gerade ein Bestsellerautor ist (s. oben), der über ausreichend Mittel, Bekanntheit und Zugang zu Lesern/Käufern verfügt. Denn die Herstellungskosten unterscheiden sich nicht, hinzu kommt aber vor allem der Arbeitsaufwand, den er nicht unbedingt schultern möchte. Er würde also kaum mehr verdienen an einem Buch (nochmal: Es sei denn, er ist bekannt genug/Bestsellerautor) und wahrscheinlich sogar weniger verkaufen. Zumal er dann zusätzlich noch das Absatzrisiko trüge. Nimmt er das alles jedoch in Kauf und hat vielleicht auch ausreichend Kontakt zu guten Lektoren, Grafikern, Setzern, PR-Agenten bzw. Rezensenten usw., dazu wie schon erwähnt noch genug Zeit und Erfahrung, diese ganzen Arbeiten zu erledigen bzw. zu koordinieren, wird er neben seinem Beruf als Autor – selbst ein Verleger! Leider hat der Tag aber nur 24 Stunden …

Fazit: Verleger übernehmen für Autoren wichtige Leistungen, die vor allem Geld und Zeit kosten. Und sie verdienen nicht unverhältnismäßig viel an den einzelnen Büchern, oft werden diese ja sogar quersubventioniert durch Bestseller. Dass Verlage (Verwerter) sich also auf Kosten der Autoren (Urheber) bereichern, stimmt nicht. Und dass ein „normaler“ Autor ohne Verlag besser dastünde, auch nicht.
[1] Ein paar Anmerkungen zum Handelsrabatt: Der Buchhandelsrabatt beträgt meist zwischen 35-50%, bei kleinen Verlagen ist die sogenannte Barsortimentsquote aber sehr hoch, d.h. 70-90% des Verkaufs laufen meist über den Zwischenbuchhandel (der mit 50% mehr Rabatt als ein normaler Buchhändler bekommt und einen Teil davon an den Buchhändler weitergibt), also kalkulieren wir meist mit 50%. Dazu kommen noch die Auslieferungsgebühren und anteilige Kosten für die Vertreter.

Update: [2] Klappenbroschur, Startauflage 2500 Exemplare.

 

(Foto by MIT OpenCourseWare, via Flickr)