Rezension Tschador von Murathan Mungan

Vielleicht passend zur finalen Geschenkehatz, möchte ich euch hier ein neues Buch in unserer Rubrik »Stiefbücher« vorstellen: den Roman Tschador von Murathan Mungan (Amazon-Link). Ein zwar schmales, aber sehr dichtes und orientalisch-poetisches Buch.

Ein Mann, Akhbar, kommt in sein vor langer Zeit verlassenes Heimatdorf, um seine Familie und seine Jugendliebe zu besuchen. Erinnerungen an die Kindheit begleiten ihn. Doch ist alles anders, als er es sich vorstellt: Die Straßen leer und staubgrau, Frauen fast nie zu sehen und wenn, dann streng verschleiert, die Leute abweisend und ängstlich. Es ist von einem zurückliegenden Krieg die Rede, in der die »Soldaten des Islam« gesiegt und einen islamistischen Staat etabliert haben (Afghanistan?).

Seine Familie wohnt nicht mehr im alten Haus, die neuen Bewohner wissen nicht, wohin sie verschwunden sind. Akhbar macht sich auf die Suche, klopft an zig Türen, fragt auf den Märkten nach, findet aber keinen einzigen handfesten Hinweis auf den Verbleib von Mutter, Schwester oder seiner Jugendliebe. Nur soviel: der Bruder ist wahrscheinlich im Kampf für die Gotteskrieger gefallen.

Einsamkeit sowie die Farb- und Frauenlosigkeit des Lebens quälen ihn zunehmend und er flüchtet in eine Fantasiewelt, in der ihm sogar die Burka (auch Tschador genannt) als verlockendes (Ver-)Kleidungsstück erscheint.

Ich kann das Buch nur empfehlen: wegen seiner poetischen Sprache, den starken Bildern und seiner beeindruckenden Athmosphäre. Außerdem ist es ein kluges und anschauliches Plädoyer gegen den Fundamentalismus. Ein Buch, das bei mir lange nachgewirkt hat.

Mungan - Tschador

Murathan Mungan, Tschador (Amazon-Link). Roman. Aus dem Türkischen von Gerhard Meier. Blumenbar Verlag, München 2008. 128 Seiten, 15,90 €.

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