»Satire darf alles – außer kommerziellen Erfolg parodieren«. Zum Urteil im »Wanderhurenstreit«

Das oben stehende Zitat habe ich diesem Beitrag auf Bayern 2 entnommen, es bringt auf den Punkt, was das Urteil des LG Düsseldorf zum »Wanderhurenstreit« bedeutet.

Wir haben in den letzten Tagen die Entscheidung verdaut und das Urteil analysiert, es läuft darauf hinaus, dass das Gericht alle zentralen Argumente von Droemer Knaur übernommen hat. Hier unsere Kommentare zu den entscheidenden Abschnitten aus der Urteilsbegründung:

1) »Es erscheint nicht fernliegend, dass der Verkehr [hier sind normal informierte Menschen gemeint, Anm. SW), der sich nicht mit dem Inhalt des Werks beschäftigt hat, den Titel wörtlich nimmt und tatsächlich davon ausgeht, er diene der Kennzeichnung eines Werks, welches sich auf der Grundlage der bei Droemer verlegten Romane mit der Beschreibung von Wanderwegen befasse, zumal die Titelfigur als ›Wanderhure‹ umherzieht.«

Das stimmt nicht. Punkt. Fernliegend ist vielmehr die Annahme des Gerichts.

2) Unser Titel wirke sich »durch die von ihm hergestellte Nähe störend« auf die Verbreitung der Titel der Wanderhuren-Reihe bei Droemer Knaur aus. Außerdem erstrecke sich die Kunstfreiheit nicht auf »die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums«.

Satire darf aber stören und beeinträchtigen, sie muss es sogar, sonst ist sie keine oder bestenfalls sehr langweilige Satire. Wir sagen ja nicht, die Eigentumsrechte von Droemer Knaur seien egal, wir finden nur, dass beide Grundrechte abgewogen und in einen angemessenen Einklang gebracht werden müssen. Wenn man denn überhaupt vertritt, dass das Eigentumsrecht von Droemer Knaur durch uns beeinträchtigt wird, dann ist diese Beeinträchtigung jedenfalls so marginal, dass sie aufgrund der Bedeutung des Grundrechts der Satire/Kunst hinzunehmen ist.

Und dies noch zum Argument, unser Titel störe die Verbreitung der Wanderhurentitel (d.h. zum Beispiel Leser kauften in der Annahme, ein Buch aus der Wanderhuren-Reihe zu erwerben): Vor dem Presserummel um das juristische Vorgehen von Droemer Knaur gab es keinerlei Indizien dafür, weder waren unsere Verkaufszahlen höher als bei Julius Fischers erstem Erzählband noch lieferte Amazon via »Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch«-Darstellung Hinweise darauf, dass Leute unser Buch mit einem der Wanderhuren-Reihe kauften. Der Leser ist nämlich nicht so dämlich, ein »falsches« Buch zu kaufen.

3) Das Gericht befindet schließlich, »die Freiheit der Kunst [habe] hinter das durch das Eigentumsgrundrecht und einfachgesetzlich durch §§5,15 MarkenG geschützte Recht der Antragstellerin an ihren Werktiteln [zurückzutreten]«.

Das heißt: Das Eigentumsrecht von Droemer Knaur ist höher zu bewerten als das Recht auf Kunstfreiheit, in unserem Fall: Satire.

Der weitgehende Titelschutz für die »Wanderhuren«-Romane von Droemer Knaur entsteht also nach Auffassung des Gerichts durch die enorme Bekanntheit der Bestseller-Reihe. Und damit sind wir wieder bei »Satire darf alles – außer kommerziellen Erfolg parodieren«.

Übrigens: der Begriff »Wanderhure« ist keine Erfindung von Iny Lorentz, wie dieser Titel des italienischen Autors Pietro Aretino beweist.

Dieser Rechtsstreit macht uns keine Freude, trotz all der Presse und Aufmerksamkeit. Wie schon mal bei Facebook gesagt: Wir würden lieber in Ruhe arbeiten. Worüber wir uns aber freuen: die vielen freundlichen Aufmunterungen, Durchhaltewünsche – sogar Spenden und Solipartys werden uns angeboten. Vielen Dank dafür!

2D-RGB-Wanderhure

3 Kommentare

  • René Monet sagt:

    Das Haupt Argument ist aber, dass keine Satire definiert werden kann, wenn sie nicht auf große/größere Gesellschafts Phänomene reagiert.Damit geht eigentlich schon die ganze Argumentation des Gerichts daneben.

  • André sagt:

    Sehr klug, sehr gut kommentiert.

  • Amy Stern sagt:

    Nennt es doch einfach „Die Wanderniere“. Oder gibt es dann Probleme mit dem Pschyrembel?

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