KNV

Am Anfang stand die Überraschung: Die Nachricht über die Insolvenz des Buchgroßhändlers KNV hatten wir nicht erahnt. Beim ersten naiven Erörtern der Auswirkungen auf uns schien das eine Kleinigkeit zu sein, kleine Bilanzkorrektur, mehr nicht. Aber nur wenige Tage später war das Ausmaß klar: Offene Rechnungen von über 65.000 Euro. Und von Gespräch zu Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen wurde die Stimmung schlechter. Getroffen hat es die Verlage ganz unterschiedlich. Bei uns sind es 12% vom Jahresumsatz, bei einem Kollegen gar 20%, während es bei einem anderen gerade mal 0,3% sind.

Mit der ausstehenden Summe können wir ein ganzes Jahr Programm gestalten. Wir könnten Bücher drucken, Cover kreieren, Texte übersetzen lassen … Die Summe entspricht knapp drei Jahresgehältern.

Und dann kam die Wut. Wut auf den Mann im Jägerrock, der doch schon im Herbst gewusst haben musste, dass es nicht weitergeht, der dennoch bestellt und weiterverkauft hat, bezahlt worden ist, und just bevor der Umsatz aus dem Weihnachtsgeschäft an seine Lieferanten gezahlt werden musste, die Insolvenz anmeldete.

Was heißt das jetzt für uns? Zunächst einmal müssen wir kurzfristig fest eingeplante Einnahmen für den April aus der Liquiditätsplanung streichen. Da wird es gleich sehr rot in den Tabellen und die Wut, eben noch kalt und nur leicht murrend, kräftiger. Sie wechselt sich ab mit Ratlosigkeit. Wie sollen wir diese Lücke schließen? Müssen wir gar selbst Insolvenz anmelden? Im Auftun neuer Geldquellen sind wir Verlage findig, aber wenn man rückwirkend eine solch hohe Summe ausbuchen muss, wird es schwer.

Neben den fehlenden liquiden Mitteln ergibt sich obendrein eine heftige Bilanzkorrektur. Hatten wir gerade noch ein Stammkapital von 50.000 Euro und Rücklagen von gut 20.000 Euro, schmilzt das Eigenkapital auf ‚Limes gegen Null‘. Und das hat Auswirkungen: Druckereien etwa lassen sich ihre Forderungen standardmäßig versichern und lösen einen Auftrag erst aus, wenn sie grünes Licht von den Versichern haben. Mit solch einer massiven Bilanzänderung wird unsere Bonität nun ganz sicher etliche Stufen geringer eingeschätzt. Mögliche Folge: Belieferung nur auf Vorkasse (das war schon in guten Zeiten nicht zu leisten, jetzt erst recht nicht).

Und dann, nach Überraschung, Wut und Ratlosigkeit: zaghafte Resignation. Vielleicht wäre es klug, einfach hinzuschmeißen – immerhin, es war eine gute Zeit: 15 Jahre Voland & Quist. Und hey, andere Branchen ermöglichen auch schönes Wirken … Aber dann der Gedanke an die Autorinnen und Autoren. An die Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und alle Ideen, denen der Verlag ein Zuhause bietet. Man stelle sich mal vor: unsere Autorinnen und Autoren, wie sie plötzlich vor anderen Verlegerinnen und Verlegern sitzen, ihre Namen ganz fremde Buchdeckel zieren, ihre Texte auf anderen Schreibtischen landen! Resignation? Da kommt uns so schnell keiner mit Resignation!

Und dann klingelt es an der Tür. Der Trocknungstechniker, Feuchtigkeitsmessung: Direkt unter unserem Büro befinde sich ein alter Flussarm. Vielleicht ein hoffnungsfrohes Zeichen für die Geplagten? Liquidität! Und alles andere wird.

Blick auf die Schelde; (c) Stephan Matthiesen (www.principia-magazin.de)

2 Kommentare

  • Osama Ishneiwer sagt:

    Liebe Freund*innen von Voland&Quist,
    vielen Dank für diesen erhellenden Beitrag (und ebenso für die Stellungnahme der KWS).
    Bei dem Gedanken,Ihr würdet hinschmeißen, kann ich meine Traurigkeit kaum zurückhalten. Ich verdanke Euch so viel!
    Was mir möglich ist, werde ich tun. Seid Euch meiner Solidarität gewiss.
    Herzlich,
    Osama Ishneiwer

  • Fred sagt:

    Moin,
    hier wird nicht hingeschmissen! Soweit kommts noch! Erinnert Euch an die ersten Jahre, die waren nicht unbedingt mit Eigenkapital gefüllt.
    Mit wem soll ich denn sonst so gut zusammen arbeiten?
    Kopf hoch, helfe auch wo ich kann!
    Gruß
    F

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